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„Ohne freie Presse gibt es keine Demokratie“ - WAN-IFRA-Interview mit Tawakkul Karman

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„Ohne freie Presse gibt es keine Demokratie“ - WAN-IFRA-Interview mit Tawakkul Karman

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15015

Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit sprach Nobelpreisträgerin Tawakkul Karman in einem Exklusiv-Interview mit WAN-IFRA über die Bedeutung einer freien Presse in der arabischen Welt.

(Hier klicken zum Download und Betrachten als PDF)Nobelpreisträgerin Tawakkul KarmanNobelpreisträgerin Tawakkul Karman

WAN-IFRA: Welche Bedeutung hat eine freie Presse für die Veränderungen, die sich derzeit in der arabischen Welt vollziehen?

Tawakkul Karman: Eine freie Presse ist die Basis für den demokratischen Wandel, sie ist eine der tragenden Säulen eines jeden demokratischen Landes. Meinungsfreiheit ist das Grundrecht, auf das sich die jungen Leute im Arabischen Frühling stützten, als sie ihre Revolutionen in Gang setzten. In der Ausübung dieses elementaren Menschenrechts wurden sie unterstützt durch eine freie Presse, die jahrelang unterdrückt und in ihren Rechten verletzt worden war. Eine freie Presse sollte in jedem Land mit demokratischem Anspruch Standard sein. Sie ist der Weg und das Ziel des Wandels zugleich: Ohne freie Presse gibt es keine Demokratie.

 

Welche Schritte sollten unternommen werden, um der Meinungsfreiheit in der arabischen Welt einen breiteren Raum zu verschaffen?

Wir brauchen eine uneingeschränkte Pressefreiheit. Zum einen geht es dabei um das Recht, dass Einzelpersonen, Organisationen und Parteien Video-, Audio- und Printmedien ohne Hindernisse, Einschränkungen und Verbote besitzen und Inhalte ohne Zensur, Verbote oder Bestrafung veröffentlichen dürfen. Zum anderen geht es um das Recht auf aktive Meinungsfreiheit – also das Recht auf friedliche Demonstrationen und Proteste ohne vorherige Genehmigung, ohne Unterdrückung und Bestrafung. Diese Rechte ohne vorherige Einwilligung auszuüben, dafür zu kämpfen und die Verantwortung für die Konsequenzen zu tragen – allein damit lässt sich Druck auf die Regierenden ausüben, der Freiheit einen breiteren Raum zu geben.

 

Ist es für Frauen im Jemen einfacher geworden, sich als Journalistinnen zu betätigen?

Natürlich ist es einfacher geworden, für Frauen genauso wie für Männer. Das Phänomen des Bürgerjournalismus hat es vielen jungen Leuten ermöglicht, sich journalistisch zu betätigen und in diesem Bereich ausgezeichnete Arbeit zu leisten – trotz des Drucks von staatlicher Seite wie im Jemen unter dem Regime von Präsident Salih. Während der Aufstände wurden Hunderte neuer Zeitungen herausgegeben und zahlreiche Fernseh- und Radiosender ohne Vorbedingungen und ohne Genehmigung ins Leben gerufen, nachdem dies vor der Revolution weitgehend verboten war. Professionelle Journalisten genießen heute in der Ausübung ihres Berufes eine größere Freiheit und sie haben sich ihr Recht bewahrt, Kritik zu üben – ein Recht, für das einige von ihnen starben. Allein im Jemen wurden im Zuge der revolutionären Ereignisse sechs Journalisten getötet.

 

Welche Aufgabe kommt Ihnen als Nobelpreisträgerin dabei zu, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit zu stärken?

Darin sehe ich meine wichtigste Aufgabe. Bereits vor der Revolution und vor dem Nobelpreis habe ich mich für die Presse- und die Meinungsfreiheit im Jemen eingesetzt. Ich habe eine Organisation namens „Journalistinnen ohne Ketten“ gegründet, um die Pressefreiheit zu verteidigen und mich gegen Verstöße gegen dieses Recht stark zu machen. Nun, nach der Revolution und der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis, hat diese Aufgabe noch an Bedeutung gewonnen. Ich werde, mit Gottes Hilfe, auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene für die Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit kämpfen. Auch werde ich mich in Kooperation mit lokalen, regionalen und internationalen Menschenrechtsverfechtern den Verstößen gegen diese Rechte entgegenstellen und mich für das Recht auf Medienbesitz für alle einsetzen.

 

Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft des Jemen? Streben Sie eine größere politische Rolle an?

Ich wünsche allen Völkern der Welt ein Leben in Würde und eine freiheitliche Zukunft. Eine politische Rolle spiele ich bereits; dafür braucht man nicht Präsident zu sein.

Welche Botschaft haben Sie für die Medien und ihre Vertreter im arabischen Raum und weltweit anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit?

Wir müssen Pressefreiheit im vollen Umfang erreichen, nicht nur teilweise. Wir müssen dieses Recht uneingeschränkt ausüben dürfen. Und wir müssen das Recht haben, ungehindert über Medien zu verfügen. Dafür sollten wir kämpfen.


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WAN-IFRA

Datum

2012-04-23 16:36

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